
DGUV Vorschrift 2 neu gefasst – Was sich für Fachkräfte und Unternehmen ändert
Was ändert sich konkret? Die wichtigsten Neuerungen im Überblick:
Digitale Beratung wird möglich
Betriebsärztinnen, -ärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit dürfen künftig bis zu ein Drittel ihrer Regelbetreuung telefonisch oder online durchführen – sofern sie zuvor einen persönlichen Eindruck vom Betrieb gewonnen haben, etwa durch eine Begehung (§ 6). Das schafft neue Freiräume, insbesondere für Unternehmen mit verteilten oder mobilen Strukturen. Aus Sicht des VDSI ist die digitale Betreuung nicht in allen Branchen gleichermaßen sinnvoll umsetzbar. Gerade in sicherheitskritischen Bereichen – etwa der Luftfahrt oder Chemie – sollten branchenspezifische Einschränkungen geprüft werden. Eine flexible Ausgestaltung auf Basis der Gefährdungsbeurteilung wäre hier zielführend.
Neue Qualifikationen zugelassen
Erstmals können auch Absolventinnen und Absolventen aus Fachbereichen wie Arbeitspsychologie, Biologie, Ergonomie oder Humanmedizin die Qualifikation zur Fachkraft für Arbeitssicherheit erwerben (§ 4 Abs. 6). Damit erweitert sich das Feld an Fachkräften – und Unternehmen können gezielter nach branchenspezifischem Bedarf auswählen.
Alternative Betreuung für mehr Betriebe geöffnet
Das bewährte Modell der alternativen Betreuung über Kompetenzzentren (KPZ) steht nun auch Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten offen – zuvor lag die Grenze bei zehn Mitarbeitenden. So wird gerade kleinen Unternehmen der Zugang zur sicherheitstechnischen Beratung erleichtert.
Fortbildungspflicht verbindlich verankert
Ab dem 1. Januar 2028 müssen Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Betriebsärztinnen/-ärzte im jährlichen Bericht dokumentieren, welche Fortbildungen sie absolviert haben (§ 5, § 7 Abs. 3). Das schafft mehr Transparenz und Verbindlichkeit für Unternehmen und stärkt die kontinuierliche fachliche Entwicklung.
Neuzuordnung der Betreuungsgruppen
Die Zuordnung von Betrieben zu Betreuungsgruppen basiert nun klar nachvollziehbar auf den Wirtschaftszweig-Kodes (WZ-Kodes). Die grundsätzliche Struktur der Betreuungsgruppen bleibt erhalten. Neu ist allerdings, dass einzelne Zuordnungen innerhalb der WZ-Klassifikation nun präziser formuliert wurden – das erhöht die Nachvollziehbarkeit und Rechtssicherheit für Unternehmen und Fachkräfte.
- Gruppe I: 2,5 Stunden/Jahr und Beschäftigtem
- Gruppe II: 1,5 Stunden
- Gruppe III: 0,5 Stunden
Das erleichtert Unternehmen die Planung, Verantwortlichen die Umsetzung und Fachkräften die Beratung erheblich..
Praxisnahe Erläuterungen und klare Begriffe
Zentrale Begriffe wurden überarbeitet und in der neuen DGUV-Regel 100-002 definiert. Sie enthält zahlreiche Beispiele aus der Praxis, die eine rechtssichere und konkrete Umsetzung erleichtern.
VDSI-Stellungnahme: Fortschrittlich – mit Nachbesserungspotenzial
„Die Ausweitung der Kleinstbetriebsbetreuungsmodelle von zehn auf 20 Beschäftigte gibt den Betrieben einen deutlich höheren Handlungsspielraum. Gleichzeitig ist die effiziente behördliche Überwachung entscheidend, um Pseudobetreuungsmodelle zu verhindern und die Qualität zu sichern. Die ‚neue‘ Vorschrift ist durch die Trennung von Vorschriftenteil und Erläuterungen in der dazugehörigen DGUV Regel 100-002 deutlich kürzer, verständlicher und wesentlich klarer geworden – mit erheblichen Vorteilen für die betriebliche Praxis“, betont Joachim Fischer, Leiter des Fachbereichs Fachkräfte für Arbeitssicherheit (Sifa) im VDSI.
Zur Person:
Joachim Fischer ist Diplom-Ingenieur, leitende Fachkraft für Arbeitssicherheit sowie Leiter Arbeitsschutz und Strahlenschutzbevollmächtigter im Fraport-Konzern Frankfurt.
So begrüßt der VDSI die Neuerungen ausdrücklich – verweist aber auch auf offene Fragen:
- Digitalquote zu restriktiv?
Die pauschale Begrenzung der digitalen Betreuung auf ein Drittel wird vom VDSI differenziert betrachtet: In einigen Branchen – etwa in der Verwaltung oder im IT-Bereich – könnte dieser Anteil zu niedrig sein, während in sicherheitssensiblen Bereichen eher Vorsicht geboten ist. Aus Sicht des VDSI ist daher eine flexible, qualitätsgesicherte Anpassung auf Basis der betrieblichen Gegebenheiten wünschenswert.
- Uneinheitliche Zulassungsverfahren
Für Personen ohne Ingenieurtitel ist eine behördliche Einzelfallzulassung erforderlich. Hier könnten bundesweit unterschiedliche Kriterien zu Unsicherheit führen. Der VDSI setzt sich für klare, transparente und bundesweit einheitliche Regelungen ein.